Samstag, 3. Januar 2015

Biografisches über Elimar von Monsterberg



Elimar von Monsterberg, bzw. Elinor von Monsterberg wurde am 23. Juli 1877 in Breslau als Tochter eines preußischen Leutnants und Adjutanten, späteren Generalmajors Hermann von Monsterberg geboren. Sie verlebte eine überaus glückliche Kindheit teils in Breslau, teils in Schweidnitz, Hamburg, Kolberg, Köslin und in anderen Orten, wohin die Versetzungen des Vaters die Familie führte, teils auf dem Lande bei Verwandten, und wurde schon früh von der „schlesischen Krankheit“ d. h. der Lust befallen, alles in Reime zu bringen.
Nach Absolvierung der höheren Töchterschule die verschiedenartigen Garnisonen des Vaters und große Reisen durch ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz für neue Eindrücke und Erweiterung des Horizonts. Private Studien, besonders in deutscher Geschichte und Literatur, selbst im Mittelhochdeutschen drängten dann zu eigener poetischer Betätigung, und so erschienen seit 1897 in den verschiedensten deutschen Zeitschriften Poesien von ihr.
In späteren Jahren lebte sie längere Zeit in Arys (Ostpreußen), wohin ihr Vater als Kommandant des Truppenübungsplatzes versetzt worden war. Seit 1905, nach dem Übertritt ihres Vaters in den Ruhestand, hatte sie ihren Wohnsitz in Charlottenburg.
Einige ihrer Publikationen waren: Hamburg und sein Wirtschaftsleben (1913) und Fragezeichen des Lebens (1919). In der Zeitschrift „Jugend“ Nr.41/1906 findet sich der Reim „Wenn es stürmt in Masuren“, Betrachtungen der Umwelt im Hamburgischen Correspondenten, sogar der 1902 geschriebene Text „Abschied“ wurde von Alban Berg (1885 – 1935) in seinen Jugendliedern vertont. Ihr „Ein Weihnachtslied“ wurde 1910 von Wilhelm Kienzl musikalisch umgesetzt.
1931 war sie neben anderen einflussreichen Frauen dieser Zeit, Gründungsmitglied des ersten deutschen Zonta-Clubs in Hamburg. Ihr Ziel war es die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und den Status der Frau zu fördern.


Quellen: Franz Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten, Leipzig 1913
 Jugend Nr. 41 / 1906

Freitag, 2. Januar 2015

Eispalast Hamburg


Hamburg, 11. Februar 1912


Berlin hat sich im Lauf weniger Jahre drei Eisarenen geleistet, mit allen erdenklichen und überflüssigen Luxus ausgestattet. Bei uns setzt man jetzt auch gewaltige Erdmassen auf der Langen Reihe in Bewegung, um den glaskalten Frost einen ebensolchen gedeckten Tempel zu errichten.
Rascher aber als Menschen denken und schaffend erbauen können, machte Mutter Natur aus ganz Hamburg einen einzigen Eispalast von solch triumphierender Schönheit, von einer so klirrenden Einheit und packender Größe, dass alles starr war, am hauptsächlichsten aber die Gliedmaßen, welche „hervorragend“ der Kälte preisgegeben waren. Gut, dass das Wetter so launenhaft ist wie eine verwöhnte Frau, und seit kurzem wieder ein weicheres Gemüt zeigt.
 
Eisalster

Die bekannten ältesten Leute, die von ihrer Tage Menge nur dann zu reden belieben, wenn sie sich in die Toga der Wichtigkeit hüllen können, selbst diese Spezies vom Stamme Mensch konnte sich nicht erinnern, einen ähnlichen Frost erlebt zu haben. Sogar der Quecksilbersäule im Thermometerglas wurde es zu viel des Guten, und sie zog sich immer tiefer in ihre Gemächer zurück, sodass es schwer hielt, sie aufzusuchen.
Durch die Straßen, auf denen der Schnee knallhart gefroren lag, raste die unsympathische Frosthexe, spindeldürr, mit schlotternden Kleidern, an der blauroten Hakennase hing ein kleiner Eistropfen, und mit ihren langen Krallenfingern zwickte sie stillvergnügt jeden, der ihr in den Weg lief, in die Ohren, in die Nase, in die großen Zehen, bis sie blau anliefen und weh taten, dass es nur so eine Art hatte! Knirschend knarrte der gefrorene Schnee unter den hastenden Schritten der Menschen, die vom Dämon Frost rascher gejagt wurden, als von der Lust am Gewinn und an der Arbeit, die doch sonst zwei sehr treibende Faktoren in unserer Stadt sind.

Die kurze Zeit, wo sich Frau Sonne einmal zeigte, genügte, um zu sehen, dass auch sie anscheinend ganz gewaltig eingeheizt hatte. Der himmlische Grog war sicher ein zweckentsprechend steifer, denn die würdige Dame sah mit knallrotem Kopf runter auf den großen Eispalast Hamburg, und legte sich ein paar Stunden später kühle Wolkenumschläge auf die Stirn. Kenner behaupten, das käme davon, wenn man zu viel Zucker in den Grog würfe, die unfehlbare Folge seien Kopfschmerzen.
Die reinste Freude aber verschaffte diese Kälteepoche allen Wärmeproduzenten. Keine Haustür in Hamburg, vor der nicht die sackbehaupteten Kohlenträger gänzlich außer der Reihe Ofenfütterung abgeladen haben, kein Pelzwarenhändler, der nicht seine echtesten Felle und ebensolche Kaninchenmuffe losgeworden wäre, die Wolle stand weit über pari, und trotz des bösen Methylschnapses war jeder anders geartete Alkohol in steigender Wertschätzung begriffen.

In der Elektrischen verschwand völlig die sonst allgemein übliche Mode, so viel Platz wie möglich für sich zu beanspruchen, und das Zusammenrücken, soweit es nur tunlichst ist, zu vermeiden. Man quetschte sich so eng aneinander, wie es sonst nur sehr verliebte Leute, selbst zu heißesten Sommerzeit, zu tun pflegen, und spürte mit Behagen, die Ansammlung der animalischen Menschheitswärme, soweit sie vorhanden war. Dazu genoss man eine gesundheitlich sehr annehmbare turnerische Fußgymnastik. Keine Bahn, in der nicht über den nassen Bodensprossen sämtliche Füße der Passagiere in rollender, stampfender Bewegung gewesen wären, kein Wagen, in dem nicht jene unwirtliche Temperatur geherrscht hätte, wie sie gang und gäbe ist in einer gewissen Sorte „guter Stuben“, vulgo „Familiengruft“ zubenannt. Dazu wurde noch geliefert, außer der Kälte und dem altbekannten Genuss, für wenig Geld ganz langsam und ausgiebig lange seinen Platz besitzen zu können, eine Sonderausstellung fossiler Pflanzensammlungen.
Im bläulich weißen, kalten Licht standen erstarrte Riesenfarnen, urweltliche Rispenarten, sonderbar gerissene Palmensorten und Schlinggewächse, die sich wie gewaltige Saurierleiber um Urwaldstämme ringelten und an ihnen hinan krochen. Ein abwechslungsreiches Bild, denn jede Bahn hatte ihre Extrasorten, nur nahmen die Eisgebilde Licht und jede Aussicht, und man fuhr wie in einem rollenden Eissarg, für die Außenwelt abgeschlossen, ganz gewiss an der richtigen Haltestelle vorüber. Und das war bitter zu dieser Zeit beißenden Frostes und nagender Kälte!

Da aber setzte zur rechten Stunde, selig willkommen geheißen, unser gutes, ehrliches Hamburger Schlackerwetter ein. Die Stelle der Schlittschuhe nehmen, wie so oft, die Gummischuhe ein. Mich aber zog es hinaus, fort von Straßenbrei und sottbeschwerter Feuchtigkeit, in den Hafen, um zu sehen, wie sich dort das gebannte, im Frost gehaltene Wasser in seine Urelemente auflöst. Und ich kam just zur rechten Zeit.
Überall an Land Schmutz und Morast, über den Wassern aber des Eises gebrochene Gewalten. Das knirschte und stieg an den Ufermauern empor, dass es eine Lust war. Es war kurz vor ein Uhr. Mit einem Schwarm hastender Arbeiter zugleich ging es über die glitschigen, nassen Bretter hinunter auf die grüne Fähre. Die zog und riss an den Tauenden, als ob sie es nicht erwarten könne, den frischen Kampf mit den kauernden Eisschollen aufzunehmen. Plötzlich ging es wie ein elementarer Riss durch die Luft, die Schallwellen trugen ein jähes, wildes Durcheinander von Pfeiftönen daher. Dumpfes, schweres Tuten ward zerschnitten von gellendem, hellen Pfiff, dazwischen drängte sich anhaltend das Heulen der Dampfsirenen. Mittagsruhe ward ausgepfiffen, und die Arbeit reckt ihre rußige, harte Faust mahnend wieder empor.

Unter mir ein Stampfen und Zittern, die grüne Fähre durfte hineinhasten ins Kampffeld. Gleich zu Anfang, als sie den dicht vereisten Vordersteven, wie eine scharfe Lanzenspitze in die Eiswasser drohend, aufreizend niedersenkte, begann das Vorpostengeplänkel. Wie ein dichter Kugelregen prasselten zerriebene kleine Eisstücke an den Bordwänden hoch. Aber sie wurden gleichgültig abgeschüttelt. „Druff“ hieß auch hier des alten Blüchers historische Kampfregel. Und hinein ging es nun mit Volldampf in die quirlende, wild aneinander stoßende, gewaltige Maße der stromabwärts treibenden Eisschollen. Mit eisernem Stoß stürmte der schmächtige Leib des Dampfbootes gegen sie an. Empört stürzen sie sich auf den schnaubenden Feind, Zyklopenfäuste schienen die fußdicken Eisklumpen zu heben und gegen den schneidenden Bug zu schleudern. Ein Krachen und wildes Knirschen, die drängenden Schollen sind gepackt, durcheinander gewirbelt und mitleidlos durchschnitten. Neue Massen warfen sich dem Angreifer wild und wuchtig entgegen. Stücke von einem Durchmesser, wie man sie seit Jahren nicht mehr auf der Elbe gesehen, von einer Länge, wie eine kleine Motorbarkasse, bäumten sich reckenhaft in der Fahrrinne auf. Unbeirrt stampfte das Boot darauf los. Sie sperrten den Weg, drängten gegen die aufdröhnenden Planken, und sprangen mit wildem Satz hoch auf und schlugen ihre Eisschilder splitternd gegen die fressende Bugspitze. Ein krachender Ruck, der eiserne Kiel pflügte ihre Rücken und drückte sie Erbarmungslos tief hinab in die aufzischenden Wassermassen. Die ganz Starken aber unter ihnen warteten lauernd, bis sie auf ihren Eisrücken das schneidende Eisen des Bootes spürten und trugen. Dann ein jähes, heimtückisches Hochstemmen, und das Boot wich in kurzem Ruck aus der Fahrtlinie, und ein rinnendes Zittern und Aufstöhnen ging durch seine Planken. Dann aber biss es härter noch als zuvor in die drängende Masse des Feindes, wild warf es brechende Schollen hoch, wie ein rasender Stier sein Opfer auf die Hörner nimmt, um es abwärts zu schleudern und zu zerstampfen. Wie ein Steinregen prasselten Eisstücke über Bord, und Scholle wurde über Scholle gedrückt und gepresst, und mit wuchtiger Kraft kopfüber ins Wasser getaucht.

Vorbei geht es an den Duckdalben, die von einer starken Eismasse breit und hoch umschlossen waren. Hier und da hatten Tauwind und die falschen, artverwandten Wasser schon breite Torbogen in die starrende Eismauer gefressen, und die Fluten wühlten mit stahlharten Händen den erschlossenen Weg immer weiter. Die hochgezogenen Anker der großen Überseer waren noch fest in einen glitzernden Eismantel gehüllt, vertäute Schuten dicht mit erstarrten Wassermengen bezogen. Selbst hoch an die Kaimauern hinauf kletterte das tollgewordene Eisheer. Der Westwind aber stellte ihm nach, wo er es packen konnte, sodass es da und dort in jäher, wilder fluchtartiger Auflösung daher rann. Mit raschem Bogen legte das grüne Fährboot wieder in der Nähe der St. Pauli Landungsbrücken an, geduldig ließ es sich das haltende Tau anlegen, und wartete im brauenden Eiswasser, bis es wieder hinein durfte in den befreienden, frischen Tageskampf, den es eben noch siegreich bestanden.

Donnerstag, 1. Januar 2015

Die Frau in Haus und Beruf


Vom 24. Februar bis 24. März 1912 richtete der Deutsche Lyceum-Club in Berlin eine Ausstellung zum Thema „Die Frau in Haus und Beruf“ aus. Für den Hamburgischen Correspondenten berichtete die Journalistin und Schriftstellerin Elimar von Monsterberg von der Ausstellung.
  


Berlin, 5. März 1912

Es ist ein höchst sonderbarer, zum ernsthaften Nachdenken zwingender Eindruck, der sich einem jeden aufdrängt, der jetzt Berlin erlebt. Der Eindruck, dass Berlin unter dem Zeichen der Frau steht. Wohl verstanden, der schaffenden Frau. Nicht bloß die Gebildeten und die Allzuvielen, die es sein wollen, stehen unter diesem Signum, sondern herunter bis auf die Portiers, Dienstmädchen und Arbeiter spricht, redet, interessiert man sich für die Ausstellung am Zoo. Nicht umsonst zeigt man dort, was die Frau bis jetzt unter erschwerenden Umständen geleistet hat, woran es noch bitter not tut und wo zu neuen Schaffensmöglichkeiten Wege geebnet werden könnten. Im engen Bunde mit der kämpfenden, schaffenden Frau ist die eiserne Notwendigkeit, die der Frau über kurz oder lang jeden Weg geebnet und bereitet haben wird. Selbst der gleichgültigste Flaneurfuß stolpert über den Granitblock harter Arbeit, der hier unerwartet die Zukunftspassage sperrt. Sogar das minimalste Gehirn stutzt und reagiert auf das, was aus sozialer Lebensart, Schaffenslust und bitterer Erfahrung hier urplötzlich aus der dunklen Not des Alltags und des Spottes Bitternis sich löste und Gestalt annahm. Ein lebensstarkes Etwas, mit dem zu rechnen ist, und das kein Lächeln gesuchter Skepsis vernichten kann. 


Ein Kapitel für sich in dieser umfangreichen Ausgabe von Frauenwerken ist die Frau in der Literatur und Presse. Es ist nicht mehr möglich, die Frau aus dieser Art geistiger Tätigkeit, des schöpferischen Planens, Aufbauens und Schaffens sich fort zu denken. Eine Zeitschrift ohne die Arbeit der Frau wiese empfindliche Lücken auf. Zielbewusste, geniale Frauenarbeit zeigt der Büchermarkt. Es war daher eine förmlich notwendige Einberufung,  als die literarische und Pressekommission der Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf“ in den Festsälen des Zoologischen Gartens einen glänzenden Empfang veranstaltet, der in den Formen eines Nachmittagstees vor sich ging.
Rieselnder Sprühregen mit gemütlichem Nebeleinschlag, ganz wie bei uns in Hamburg auch, durchfeuchtete die sonntäglichen Menschenmassen, die in die Ausstellungshallen am Zoo strömten. An der Lichtensteinbrücke, wo die glänzende Auffahrt für den Empfang der beiden vorgenannten Kommissionen stattfand, stauten sich die Autos, noch im bunten Anstrich, und rückten langsam vor bis zur Eingangshalle, als gelte es, einen Hofball mitzumachen. Und eine Art Hofball der Aristokratie des Geistes war es, der dort vor sich ging. Die drangvoll fürchterliche Enge der Garderoben bewies schon zum allerfrühesten Beginn, dass eine Überfüllung stattfinden würde. Die völlige Kopflosigkeit der Garderobefeen zeigte deutlich, dass die Frau in diesem Beruf noch nicht auf der notwendigen Höhe steht.

Auf den Teppichbelegten Treppen schon staute sich die Menge. Das die Frau überwog, ist erklärlich. Als erste trat mir die Architektin Winkelmann, die Schöpferin einer Reihe eigenartiger Villenbauten im Grunewald entgegen. Oben in den Sälen aber eine blendende, gleißende Fülle von Licht, ein dunkelndes Durcheinander von Menschen, ein Drängen und Schieben, dass es eine geraume Weile dauerte, bis der Einzelne sich aus dem Ganzen heraus löste.
An kleinen, reizend gedeckten, blumengeschmückten Tischen saß man und plauderte. Unaufhörlich schob und drängte sich die elegante Menge durch die schmalen Gänge, verlorene Klänge der Musik huschten durch die strahlend hellen Räume. Toiletten von einem Reiz, geschmackvoller Eigenart und teilweise auffallender Schönheit zeigten, dass die neue Frau es sehr wohl versteht, mit Arbeit und Geist auch ein dringend notwendiges schönes Anziehen zu verbinden. Von den üblen sogenannten Reformkleidern war nichts zu bemerken.

Kurz nach Beginn des Empfanges begrüßte Frau Louise Schulze-Brück, die Vorsitzende der literarischen Kommission die Versammlung. Eine knappe Stunde vor der einberufenen Veranstaltung war ihr per Rohrpost der Antrag übermittelt worden, über die Bedeutung der Frau in der Literatur zu sprechen. Auf gewohnte geniale Weise entledigte sich Frau Schulze-Brück des Auftrags, indem sie auf die erschöpfende Frauenbibliothek der Ausstellung und das eben herausgekommene Buchhinwies, das sich ganz speziell und ausführlich mit dem beredten Thema beschäftigt. Der Beifall, den sie für ihre Fünfminutenrede erntete, war ebenso amüsiert wie dankbar für die Kürze der Erörterungen. Frau Anna Plothow, die Redakteurin des Berliner Tageblatts und Vorsitzende der Pressekommission, sprach im Anschluss daran kurz, bündig und geistvoll wie stets über die weiblichen Journalisten. Gerade die Zahl weiblicher Journalisten sei eine sehr schwache, aber sie hätte sich so recht eigentlich aus der Frauenbewegung heraus entwickelt. Durch zähe Arbeitsentschlossenheit, unermüdliches Arbeitswerben hätten sich die Journalistinnen ihren Weg erzwungen. Leicht habe sich die weibliche Presse ihre Stellung nicht erworben. Aber niemals sei sie als Konkurrentin des Mannes aufgetreten, sondern immer nur als sein mitarbeitender Kamerad. Und nichts anderes wolle sie sein. Gleich tun wolle sie es dem männlichen Kollegen immerdar nur an Opferfreudigkeit, Wissensfreude, völliger Hingebung an den geliebten Beruf. Objektivität, Wahrhaftigkeit und Pflichttreue. Mithelfen wolle sie an der Hebung des Standes bis zum Äußersten. Reichlicher Beifall folgte den scharf abgewogenen und klugen Ausführungen der verdienstvollen Frau.

Dann setzte das volle gesellschaftliche Leben ein. Man konnte seine Freude daran haben, Victor Blüthgen sich wieder mit alter sprudelnder Frische mit Lotte Gubalke, der Schriftstellerin und Redakteurin der Welt der Frau, unterhalten zu sehen. Anselma Heine schob sich langsam durch die Menge, wo neben Gabriele Reuter Agnes Harder und Miriam Eck saßen. Marie von Bunsen, die eben von ihrer Weltreise zurückgekehrt ist, stand neben Emmi Lewald.  Franziska Mann, im dunklen Samtkleid, begrüßte lebhaft Frieda Schanz, und der Literarhistoriker Dr. Lepmann disputierte aufs Angeregteste mit Thekla Friedlaender, die jetzt bereits den Beinamen „Der Engel der Gefängnisse“ erobert hatte.
Der vielgenannte Bildhauer Professor Kraus raucht eine Zigarette im angeregten Zwiegespräch mit seiner Fachkollegin Quittmann, die seinerzeit für den bekannten Sozialistenführer Auer das Grabmal schuf. In sehr großer Anzahl waren die männlichen Pressevertreter der Reichshauptstadt erschienen, und der berühmte Literarhistoriker Richard M. Meyer beobachtete seine Umgebung so intensiv, als wolle er demnächst eine neue Literaturgeschichte herausgeben. Weibliche Doctores schieben sich in tadellosen Toiletten und erfreulicher Jugendfrische durch die lebhaft plaudernde Menge, um näher an das Podium heran zu kommen, wo Frau Andrejewa de Skylondy ihren Titel als königliche Sängerin souverän bestätigt durch königliches beherrschen ihrer Stimmmittel, und der Königliche Hofschauspieler Hermann Bötticher zündende Schelmenlieder zur Laute singt. Besonders Gedichte von Otto Sommerstorff, von Hermann Bötticher komponiert, begeistern zu lautem Beifall. Josefa Metz, die Dichterin der Kinderpsyche, kommt zuletzt mit eigenen Schöpfungen zu Wort, die wieder den ganzen Charme ihres Könnens zeigen. Erst spät trennen sich die letzten Gäste. Auch dieser Empfang der literarischen und Presse-Kommission bedeutet einen jungen, frischen Triumph aus der Zeit der Frauen.