Mittwoch, 23. Oktober 2019

WIE DIE RÜHREIER ENTSTANDEN SIND


Ein Märchen aus längst verschollenen Zeiten


Pfeifend lief der Sturm durch den Tannenwald. Mit seinen kalten Fingern riss und zerrte er im Vorbeirennen an den Ästen und Zweigen, dass die kleinen Bäume sich verängstigt neigten und die großen, die schon so viele Lebenserfahrung hatten, um zu wissen, dass etwas schimpfen alles Unangenehme erleichtert, – quarrten und knarrten, dass es nur so eine Art hatte. Ab und zu hielten sie erstaunt inne – das war, wenn wieder ein neuer Gast bei der Felsgrotte ankam, in der heut die Moosweiblein und Steinzwerge ein großes Fest feierten.
Verstohlen und fast verlöscht vor Neugier, guckte dort ein flackerndes Irrlicht aus dem Busch hervor, das nicht eingeladen war, weil es schon zu oft zur Nachtzeit den einen oder anderen Steinzwerg, der zuviel Birkensaft getrunken, auf Abwege gelockt hatte. Kaum sah des Sturmes Jüngster, der Morgenwind, die arme Flimmerflamme, als er gleich mit vollen Backen auf sie losblies und sie bis ins dunkle, schwippende Moor trieb. Dort aber tauchte sie unter und versteckte sich unter den weißen Totentüchern, die das Moorgespenst just ausbreitete. Vor dem aber fürchtete sich selbst der kecke Morgenwind, schüttelte sich und rannte davon.
         „Kinder, sagt mir doch bloß, was heut eigentlich los ist“, wisperte eine Zwergtanne zu den sie umstehenden mächtigen großen Bäumen herauf. Denn sie liebte es, im Großmutterton mit den Großen zu sprechen.
         „Ja, das weiß der Deibel“, knurrte ein verhutzeltes Wurzelmännchen und biß dazu an seinen Fingernägeln herum. Da bekam es plötzlich von rückwärts her einen herben Klaps auf die Hand, und als er fauchend herumfuhr, stand der Waldgeist hinter ihm, der stets auf Form und Sitte hielt. Mit seiner tiefen Stimme, die wie Waldesrauschen klang, sagte er:
„Erstens nagt man nicht an seinen Fingern wie ein hungriges Mäuslein am dürren Holz, und zweitens lässt ein derartiger Waldmann den Deibel ungerufen!“
         „Wenn du da bist, Allweiser, brauchen wir ihn ja auch nicht“, krächzte das freche Männlein, fuhr aber vorsichtshalber doch in seine tiefste Höhle, kopfüber, und schob noch ängstlich eine dichtverwachsene Wurzeltür hinter sich zu.
Der Waldgeist aber hatte gar nicht mehr auf ihn gehört, denn er sah zwischen den Bäumen mit ängstlichen, großaufgerissenen Äuglein ein Kind daher kommen, einen Korb voll Hühnereiern am Arm, den es krampfhaft festhielt. Dass es von der Menschen Art sei, hatte der Waldgeist gleich gemerkt, denn es stolpert über die Wurzeln, was kein Waldmännlein tut, und die verschüchterte Art, mit der es auf das Gewisper und Geraune im Walde lauschte, das Entsetzen, mit dem es zurückfuhr, wenn mal ein Zweig ihm schmeichelnd die Wange berührte – zeigte dem Alten, dass es ein junges, verirrtes Menschenkind war. Als es vor die Felsgrotte gekommen und die lachenden, gieckenden Alraunen beim Lichte faulender Weidenstümpfe hüpfen und springen sah, da ward ihm himmelangst, und es faltete die kleinen Fingerlein so fest, dass sie rot anliefen, und betete ganz laut:
         „Lieber Gott! Ach schicke mir doch mein Mütterlein her!“
Das rührte den Waldgeist, er zeigte sich dem Kind, bückte sich zu ihm nieder und sagte:
         „Ich will dich zu deinem Mütterlein führen!“
Da vertraute ihm das kleine Ding, und da es ein kleines Mägdlein war und wißbegierig, wie diese Art nun einmal ist, so fragte es rasch getröstet:
         „Was die da machen unter dem nassen Gestein?“
Ehe noch der Waldgeist antworten konnte, kletterte ein kurzgeschürztes Moosweiblein über einen tiefgewachsenen, glibbrigen Ast, der im Schlaf ein wenig quarrte und knarrte, denn er war schon alt und hatte sich in der letzten Gewitternacht erkältet, – und dann ganz atemlos vor dem Waldgeist an. Sie hatte einen harten Kochlöffel in der Hand und klappste damit einen täppischen Nacht-schmetterling auf die Nase, der sie durchaus küssen wollte, denn sie roch, als käme sie geradewegs aus der allerschönsten Märchenküche – und gute Küchendüfte besitzen allemal die größte Anziehungs-kraft für alles Männliche.
„Waldgeist!“ keifte das Moosweiblein, „in eurem Namen hat der Kiebitz draussen an der Moorwiese geschworen, dass er mir heut reichlich Eier beschaffen würde, damit ich meinen Gästen Atzung gewähren kann. Als ich die Eier aber in der Dämmerung noch nicht hatte, fing ich mir einen Sommerfaden ein, fuhr auf ihm der Moorwiese zu, wo ich nur die Kiebitzin fand. Als ich der meine Forderung erklärte, da schrie sie laut vor Lachen, dass es mir noch in den Ohren gellt, und behauptete, sie liefere nur im Frühjahr, wenn ihr Mann mir auch jetzt Eier versprochen hätte, so solle ich sie mir nur von ihm legen lassen, aber sie übernehme keine Verantwortung für das, was bei seinen Versprechungen herauskäme! Vor der Nase ist sie mir fortgeschwirrt, jetzt sitz ich ohne Eier, und eure Pflicht ist es, mir rasch zu helfen, Waldgeist, denn bei eurem Namen schwor ja der freche Kiebitz!“
„Seltsam, Seltsam,“ murmelte der Alte und strich sich seinen langen, weißgrünen Moosbart, „wie ihr Weiblein euch doch immer auszureden und zu helfen wisst!“
Dann machte er sich rasch ganz klein, denn das konnte er, so klein, dass sich das Menschlein gar nicht vor ihm zu fürchten brauchte, nahm ihm sacht den Finger aus dem Mund, an dem es vor lauter erstaunen lutschte, und sagte:
„Schenkst du mir, was du da im Korbe hast? Ich geb dir auch lauter große Tannenzapfen dafür und führ dich dann schnell zum Mütterlein!“
Bereitwillig und vertrauensvoll nickte das Kind dazu und stellte seinen Korb aufs knisternde Moos. Neugierig huschte die Moosfrau hinzu und kreischte:
„Eier! Und was für welche! Zweimal so groß wie ich sie je bekommen! Da sieht man, ich bin zu gut, ich verlange zu wenig! Warte“, sagte sie und sprang einem dicken Stein auf den Rücken,
damit sie in einer Höhe mit dem Kinde war, „ich hole jetzt meinen Kessel heraus, darin will ich die Eier sieden und du hilfst mir dazu Feuer machen!“
Damit wollte das Moosweiblein forthuschen, doch der Waldgeist hielt sie noch rasch am flatternden Schürzenbande fest und sagte:
„Richtiges Flackerfeuer wird mir nicht gemacht! Das wäre sowas für den Junker Morgenwind, der um die Zeit herumfährt und vor lauter Langeweile gefährliche Dinge anstellt. Bring du nur deinen Kessel, ich aber pfeife dem Feuermännlein, da bleibt es gleich unter meiner Aufsicht, sonst klettert es mir heut wieder auf ein Binsendach, draussen bei dem Waldbauern.“
„Ist mir recht“, brummte das Moosweiblein, zerrte sein Schürzenband frei und meinte schnippisch: „um mir das zu verkünden, hättet ihr mir die Schürze nicht aufzubinden brauchen, Wohlweiser!“
Der Waldgeist tat, als verstünde er nicht. Das war auch das Beste so, denn eher kann man Ameisen in ein großlöchriges Sieb sammeln, als mit Weibsleuten fertig werden. Als die Moosfrau ihren großen Kessel herauszerrte, der sich sichtlich dagegen sträubte, weil er gerade dabei war, einen tiefsinnigen Aufsatz über den Wert oder Unwert der völligen Inhaltslosigkeit auszuhecken, kam der Feuergeist im knallroten Röcklein um die entsetzt zusammenfahrende Zwergtanne herumgesaust, dass es nur so dampfte. Er hatte ein sichtlich schlechtes Gewissen. Denn wenn ihn der Waldgeist rief, setzte es allemal etwas für irgend eine seiner jüngsten Schandtaten. Und als er jetzt vor dem Gewichtigen stand und verlegen mit den Fingergelenken knackte, dass die Funken sprühten, überlegte er still für sich, wer wohl über ihn gepetzt haben möchte, und dachte sich aus, wie er sich dann an diesem Jemand köstlich und heimlich rächen wollte. Dabei rieselte es ihm ordentlich wohlig warm den Rücken herunter, denn so ein echtes Rachegefühl macht heiß. Drum war das Feuermännlein fast enttäuscht, dass es sich nur unter den Kessel hocken sollte, und um sich wenigstens etwas zu unterhalten, fing es an, von seinem geschützten Standpunkt aus dem Mägdlein, das ihn gar so verdutzt anglotzte, solch grauliche Fratzen zu schneiden, dass dies zu brüllen begann, grell, ohrenzerreißend, dass der Kobold nun seinerseits ganz verängstigt unter dem Kessel saß. Worauf das Geschrei bald in ein Glucksen und Schluchzen überging und allmählich ganz verstummte. Vorher hatte der Waldgeist noch zwei langen Gabelhölzern befohlen, den Kessel mit gebührendem Respekt zu halten, – denn die Dinger lagen doch nur so im Walde herum und die Langeweile hatte sie schon ganz ausgedörrt. Knarrend und ächzend hielten sie den Kessel und das Feuermännlein machte sich einen Hauptspaß daraus, mal dem einen, mal dem anderen der dürren alten Junggesellen so nahe zu rutschen, dass ihre langschößigen Röcke zu sengen anfingen. Dann schimpften sie mit ihren knistrigen Stimmen, aber es half ihnen nicht viel. Da ward ihnen eine unerwartete Hilfe. Der Kessel, ein dickbauchiger alter Herr, der sich für einen großen Gelehrten hielt, weil er tagtäglich geleert wurde, brummte dem fahrigen Männlein zu, doch endlich seinen Schwerpunkt auf die Erde zu verlegen.
         „Na schön, du erwartungsvolle Weisheitstonne, das sollst du büßen“, zischte das Feuer-männlein, sein Kopf lief ordentlich dunkelrot an vor Wut und es musste den Mund aufsperren, damit es etwas abdampfte. Dann plusterte es sich auf wie eine Henne, die brüten will, und heizte dem armen Kessel derart ein, dass er zu hupfen anfing vor Angst. Unterdessen hatte das Moosweiblein den Eierkorb herangezerrt, und als es ihm trotz allen Pustens und in die kleinen Finger spucken nicht auf den Kesselrand stellen konnte, lachte das Menschenkind hell auf und hob den Korb mit schnellem Ruck über den Kessel, der mit weitaugerissenem Munde zusah. Waldgeister können aber das Auslachen noch viel weniger vertragen als manche Menschen, und so sprang denn auch das Moosweiblein dem lachenden Kind auf den Nacken und fuhr ihm in den blonden Haarschopf, dass es vor Schreck alle Eier auf einmal in den harten Kessel schüttete. Die zersprungenen Schalen aber machten rasch, dass sie wieder aus der tollen Hitze herauskommen, tapsten über den Kesselrand und torkelten ganz benommen ins kühle Moos. Die Eier aber waren gleich an dem brummenden Kessel festgeklebt. Erst zwickte das erboste Moosweiblein das Kind noch derb in die Wange, dass dem war, als stäche es eine Mücke, dann gab sie ihm einen scharfen Blechlöffel und schrie:
         „Rühre die Eier! Immer rühre! Vielleicht wird noch ein Eierkuchen draus!“
Und schnell warf das Weiblein Steinsalz und Eichelfutter hinein und goß frische Hirschkuhmilch dazu. Das Kind aber rührte vor lauter Angst, dass es wie toll schäumte und kratzte dann die Eier mit dem scharfen Löffel so eilig, dass der Kessel ordentlich aufkreischte und ganz lange, feste Brocken aus den zerlaufenen Dingern wurden, und ehe das Moosweiblein noch recht zur Besinnung kam, war zwar kein Eierkuchen, aber eine ganz neue, sehr wohlschmeckende Speise gar geworden. Das Feuer-männlein kroch auch neugierig unter dem Kessel vor, und da es gar so appetitlich roch, trippelten eilfertig die Höhlengeister herbei, erhitzt vom Schwatzen und hungrig vom Tanzen, und jeder holte sein Tellerlein und sein Löffelchen aus dem Ranzen, denn es waren gar selbstherrliche Leutchen, und die Moosfrau und das Kind hatten alle Hände voll zu schaffen, bis jeder Hungrige sehr reichlich und voll gemessen Näpflein aufgeladen hatte, und eine zeitlang hörte man nur ein eifriges Schmatzen und Schlecken (das galt für artig bei den Alraunen, aber es klang ganz abscheulich) – bald aber quiekte das eine oder andere der Wißbegierigen oder sich so anstellende Weiblein:
         „Was für ein fein neu Essen das sei, und wie es sich denn nenne?“
Die Moosfrau ward verlegen, denn sie wusste es ja selbst auch nicht und zuckte deshalb geheimnisvoll mit den Achseln, so dass alle glaubten, sie wolle ihre „Kunst“ nur nicht weiter verraten – wie das ja so oft Sitte sein soll, auch unter den Weiblein von Menschenart. Als aber das fragende Gezischel und das Loben gar nicht aufhören wollte, fuhr das Feuermännlein dazwischen und schrie:
„Rühreier heiß ich den Brei. Bedankt euch bei dem Menschlein dafür, das hat ihn gekocht, nicht die heilige Alte!“
Damit zerrte er das Moosweiblein blitzschnell an ihren wohlgepflegten Haaren, das sie versengten und ein abscheulicher Geruch umging. Von all dem Gezeter und Geschrei wurde dem Kind nun ernstlich Himmelangst, es verlangte nach seinem Mütterlein und den versprochenen Tannenzapfen so laut, dass der Waldgeist ganz erschrocken herangetrippelt kam, den Korb im Umsehen füllte und samt dem schluchzenden Kind unter seinen weiten Nebelmantel nahm. Müde schloß das Kind die Augen und als es sie wieder aufmachte, lag es schon in seinem Bettlein, und dann trat sein Mütterlein in die Tür und hielt sich am Pfosten fest, weil es sonst noch gefallen wäre vor freudigem Schreck, dass es sein Kind wiederfand, denn es hatte schon seit Stunden nach ihm ausgeschaut. Deswegen schalt die Mutter auch nicht sehr, dass all die schönen Eier fort waren, und als das Kind ihr all die wunderlichen Dinge, die es erlebt, erzählte, lächelte sie ganz eigen und strich ihm nur leise über die Stirn, als wollte sie dort etwas fortwischen. Die Tannenzapfen im Korb aber hatten sich, wie es ja auch gar nicht anders zu erwarten war, in goldene verwandelt, noch ehe die Mutter sie eilig verheizen konnte. Die Eierspeise aber, von der ihr Töchterchen erzählt hatte, versuchte sie doch und da sie ihr auch gut schmeckte, kamen die Rühreier unter die Leut – in längst verschollenen Zeiten. 


13. Dezember 1919, Neue Hamburger Zeitung

Freitag, 18. Oktober 2019

DIE NEUESTEN BIOGRAFISCHEN ERKENNTNISSE

Bald drei Jahre ist es her, das ich diesen Blog noch regelmäßig bespielte. In der Zwischenzeit haben sich viele, auch überraschende, neue Erkenntnisse herauskristallisiert und sind reichlich Texte von Elinor gefunden worden. Diese gesammelten Informationen liegen nun in einem gebundenen und 738 Seiten starken Buch vor. Jedoch nur für den persönlichen Gebrauch. Ob, und was ich mit dem gesammelten Material anfangen werde, weiß ich noch nicht genau. Soweit mir von verschiedenen Seiten mitgeteilt wurde, sollen Verlage heutzutage wohl doch eher hasenfüßig unterwegs sein, wenn es darum geht unbekannte Schätze einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zurzeit findet ja wieder die Frankfurter Buchmesse statt, vielleicht sollte ich dort einmal bei den Ständen der Verlage vorbeischlendern und meine Ideen vortragen. Wer weiß...?
Nach der gestalteten Beispielseite aus den genannten 738 Seiten folgt dann eine aktuelle Kurzbiografie von Elinor von Monsterberg.



Das Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten von Franz Brümmer berichtet, dass Elinor von Monsterberg als erste von drei Töchtern eines preußischen Leutnants und späteren Generalmajors in Breslau geboren wurde. Sie selbst beschreibt sich als ein wildes Kind, das nur mit Jungen spielte und es als Schande empfand ein Mädel zu sein. Ihr Vater, der Elinor turnen, fechten und reiten beibrachte, war ihr bester Freund.

Die „schlesische Krankheit“, also die Lust alles in Reime zu bringen, soll schon in früher Kindheit bei ihr aufgetreten sein. Mit ihren Gedichten und Prosaarbeiten fand sie in ihrer Mutter eine förderliche Kritikerin. Erste Gedichte wurden unter anderem im Berliner Tageblatt veröffentlicht. Ihre Gedichte unterschrieb sie mit der Kurzform Elinor von Monsterberg. Der Name „Elimar“, mit dem sie sich letztlich schriftstellerisch zeichnete, entstand aufgrund einer Verwechslung. Sie blieb dabei und wurde seitdem für einen Mann gehalten, worüber sie sich freute, denn es lieferte ihr den Beweis, dass in ihren Dichtungen die „bis aufs Blut verhasste weibische Sentimentalität und die mich anwidernde, für moderne Geschlechtsgenossinnen typische Sinnlichkeit nicht vorhanden ist.“ Auch in späteren Texten weist Elinor immer wieder darauf hin, dass ihr manche weiblichen Launen ihrer Geschlechtsgenossinnen suspekt sind.

Durch die ständigen Versetzungen des Vaters führte die Familie eine Art soldatisches Nomadenleben.
Einige der wichtigsten Stationen waren Hamburg (1892), Stuttgart (1899 – 1903) und der ostpreußische Truppenübungsplatz in Arys (1903 – 1905). Während ihrer Stuttgarter Zeit entdeckte Elinor in dem schwäbischen Heimatdichter Heinrich Hansjakob einen wohlgesonnenen Förderer.
Ihren ersten Gedichtband veröffentlichte sie mit einer Widmung für die Königin von Württemberg. Die Familie unterhielt gute Kontakte zum Württemberger Königshaus. Nach der Offizierstätigkeit ihres Vaters ließ sich die Familie in Berlin nieder, wo Elinor begann, für das Berliner Tageblatt zu schreiben und Mitglied im Berliner Lyceum-Club wurde.

Ab 1909 siedelte Elinor von Berlin nach Hamburg über, und wohnte im Haus des Kaufmanns Julius Auer und seinen vier erwachsenen Nachkommen auf der Uhlenhorst. Für den Hamburgischen Correspondenten schrieb sie in den folgenden Jahren Ansichten über die Stadt und ihre Menschen. Besonders sozialen Themen widmete sie ihre Artikel. Über Hamburg und sein Wirtschaftsleben berichtete Elinor ausführlich in einem 1913 beim Volksvereins-Verlag erschienenen Büchlein für die Reihe Soziale Studienfahrten über Geschichte und Staatswesen Hamburgs. Ebenfalls 1913 veröffentlichte der Stuttgarter Greiner und Pfeiffer Verlag ihr Buch „Fragezeichen des Lebens“, in dem sie in zahlreichen Aufsätzen über das Thema Leben und Tod referiert.

Zusammen mit zwei Töchtern aus dem Haushalt der Familie Auer bezog Elinor 1916 eine Wohnung in der Uhlenhorster Richterstraße 15.
Im Hamburgischen Correspondenten erschien von 1916 bis 1917 eine Artikelreihe über insgesamt 33 unterschiedliche Berufsbilder für Mädchen und Frauen. Elinor von Monsterberg beantwortet darin wichtige Fragen zur Berufswahl. Die Schriftleitung weist darauf hin, dass die Artikel „aus der Feder einer langjährigen, in der Frauenbewegung stehenden Mitarbeiterin“ entstammen.
Von November 1919 bis April 1921 war Elinor verantwortliche Schriftleiterin für die Frauenbeilage „Das Reich der Frau“ in der am Gänsemarkt sitzenden Neuen Hamburger Zeitung. Über ihre Ziele für die Frauenbeilage formulierte sie: „Bei aller Wahrung des bewährten Alten gilt es nunmehr, der Frauenwelt an jener Stelle, die ihr und den weiblichen Interessen ganz ausschließlich zu dienen bestimmt ist, alles zu bringen, was Frauengeist, Frauenseele und Frauensinn beschäftigt. Frei von politischem Wettstreit, – der in die Tagesblätter gehört, seit die Frau Staatsbürgerrecht erhielt, – soll unsere neue Frauenbeilage im frischen Wechsel all die zahllosen Fragen möglichst erschöpfend und vielseitig berühren, die den weiter gesteckten Zielen unserer Frauenwelt entsprechen. Bei stärkster Betonung aller praktischen Lebenswerte wird sich die Frauenbeilage ebenso mit Ethik, Berufs- und Erziehungsfragen sowie künstlerischen und literarischen Dingen beschäftigen.
Unter dem Wahlspruch: „Für alle etwas Gutes“ beginnen wir unsere Arbeit, die beharrliches Streben nach dem Besten richtungsweisend beeinflussen wird.“

1919 zog Frieda Radel, ebenfalls langjährige Mitarbeiterin des Hamburgischen Correspondenten, in die Richterstraße 17 als Nachbarin von Elinor ein. So ist es durchaus möglich, dass es Frieda Radel war, die Elinor und ihre Schwester Sibylle für eine Mitgliedschaft im Zonta-Club vorschlug.
Anhand alter Einzahlbelege lassen sich Elinors Beitragszahlungen nachvollziehen. So wurden am 2. Januar 1931 das Eintrittsgeld und der Jahresbeitrag, und auch am 9. Januar 1932 der weitere Jahresbeitrag eingezahlt. In einer Porto- und Ausgabenrechnung vom 25. Oktober 1932 ist letztmalig der Name Monsterberg dokumentiert.

Über die Austrittsgründe liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Eventuell lag es an einer angemahnten Forderung, einen Betrag von 1,10 Reichsmark für Bewirtung zu bezahlen, der während eines Besuches eines freiwilligen Arbeitsdienstes in einem Mädchenheim in Kakenstorf aufgelaufen war. In den Jahren bis 1934 schrieb sie dann überwiegend über kulturelle und sportliche Veranstaltungen.

Am 19. Juli 1945 starb Elinor im Alter von 73 Jahren an einer Mitralstenose, einer Verengung der Herzklappen. Sie wurde von ihrer mit im Haushalt lebenden Nichte gefunden. Nach der Trauerfeier in der Kapelle 1 mit Streichmusik und Orgel fand die Beisetzung am 26. Juli um 11 Uhr in dem Familiengrab des Kaufmanns Julius Anton Auer auf Elinors geliebtem Ohlsdorfer Friedhof statt.


Freitag, 4. Oktober 2019

REQUIEM FÜR MAY VON RIEDEMANN



25. Februar 1933, Hamburgischer Correspondent

Vor ein paar Wochen läuteten hier die Glocken für Geheimrat Cuno – heute am Morgen sammelte sich der hiesige und auswärtige Freundeskreis der Familie von Riedemann in der St. Marienkirche Danzigerstraße zur ernsten Stunde des Abschieds. Mit schnellem Griff und ganz unerwartet hat der Tod hier zugepackt. Für kurze Zeit auf ihrem schönen ländlichen Besitz in Barsbüttel, erkrankte Frau von Riedemann an einer schweren Grippe, die bald nach ihrer Überführung ins Marienkrankenhaus zu ihrem Tod geführt hat, ohne dass sie noch ein letztes Beisammensein mit ihrem Gatten erleben durfte. Viele danken ihr viel. Ohne große Geste des Gebens ist von dieser Hand oft gegeben worden. Das wussten damals, als der Krieg umging, die Frontsoldaten, die sie im Kriegslazarett ihres Hauses am Harvesterhuderweg in ihrer frischen Art mit pflegte. Das wissen heut die vielen einfachen Leute der Gemeinde, auch wenn es nicht ihre Art war, große Worte darüber zu verlieren.
Requiescat in pace ­– steht in schwarzen Buchstaben auf dem weißen Altartuch. Unter einer Fülle von weißem Flieder der Sarg zwischen den vielen flackernden Kerzen. Dechant Wintermann hält das feierliche Totenamt unter Assistenz zweier Geistlicher. Er wendet sich nach Beendigung des Requiems an Dr. Tonio von Riedemann und die Angehörigen der Familie: „Wenn der Tod kommt, wird es still im Haus. Wenn er so schnell und eilig kommt, ist er doppelt hart. Aber der Tod ist auch ein Bote Gottes und der einzige Trost, den wir haben, ist das credo in vitam internam. Nur einer ist, der ihnen wiedergeben kann, was sie verloren haben, wie er der Verstorbenen die ewige Ruhe geben wird. So bleibt eins, die frohe Hoffnung, dass der Tod nicht auslöschen kann das Band der Liebe.
Die Beisetzung erfolgte darauf im Ohlsdorfer Mausoleum der Riedemannschen Familie.