An den feuchten Wänden der Unterstände erstarren die
Wasserteile zu glitzernden Eiskristallen, und Dezemberfrost beißt sich fest in
alles was Mensch ist.
Seitdem sich der Eishauch der Kälte durch jede Ritze
schleicht, scheinen die Gewehrläufe zu brennen, wenn sie die bläulich getönten
Soldatenfäuste anpacken, und es heißt aufpassen, dass der Finger am Abzug nicht
plötzlich anfriert. Das kostet dann ein Stück Haut und obendrein spottlustiges
Lachen bei den Kameraden.
Voll verdrossenem Zögern sinken feuchtkalte Flocken
schwer und matt herab. Und endlos, mit Schnee belastet, wie der Mensch mit
Gram, dehnt sich der Kriegsacker. Eis bedeckt das Moor. Und in den Brüchen, die
umhegt sind von den zerschossenen, zerspellten Stümpfen schmaler, blasser
Birken, knistert und bricht der leicht verharschte Sumpf. Krähen hocken
krächzend auf den hochgereckten Beinen gefallener Pferde, die halb vom Schnee
verschüttet sind. Plustern ihre Federn, streifen ihre dürren, harten Ständer an
den ausgespreizten Flügeln, klappen knackend mit den Schnäbeln und verdrehen
mit schlauem Blinzeln ihre schwarzen, scharfen Äuglein. Gute Zeit haben sie.
Der Krieg deckt ihnen überall den Tisch.
In einem der festen, deutschen Unterstände sitzen drei
Leute vom neunten Korps. Scharfe Furchen riss die Pflugschar des Erlebens in
die jungen Gesichter. Und der eherne Tatwille, der auch sie ausharren lässt in
der unerhörten Gewalt Tod ausspeiender Kämpfe, in der markaushöhlenden Wucht
des Trommelfeuers, dieser Tatwille starrt aus ihren Augen, die in die Weite
gerichtet sind, als warteten sie auf etwas von unsagbarer Urgewalt. Sie kauern
um den glutspuckenden eisernen Ofen, rauchen und brüten vor sich hin.
„Kinners,
nun ist bald wieder Weihnachten,“ sagt Hinnerk, „das dritte Mal schon
draussen.“
„Na ja,“ meinte der lange Klaus und pafft dicke
Rauchwolken aus seiner Pfeife, „und die dort drüben werden auch wieder für
feurige Christbaumkerzen sorgen.“
Und dann fangen sie an, die drei, langsam,
widerstrebend fast, von Weihnachten zu sprechen. Ruckweise kommt es heraus. Was
sie reden, ist nur ein laut gewordenes, verstohlenes Denken. Und leise webt es
wie Weihnachtszauber durch den Unterstand. Jeder versteckt etwas Liebes unter
dem Brustbeutel. Irgendwo scheinen tiefe Glockentöne zu schwingen. Und waren
doch nur feindliche Eisengrüße.
„Tja, der dritte Weihnacht,“ unterbricht Hinnerk das
Schweigen und hustet angestrengt, damit die anderen nicht merken sollen, dass
seine Stimme weich wurde.
„Ob sie
wohl in Hamburg an uns denken? So’n lütten Weihnachtsgruß an uns schicken?“
„Weißt du,“ meint Klaus, „Hamburger Pakete krieg ich zu
gern! Da is immer so nett was in, die Hamburger schicken feine Sachen. Aber
dies Jahr, glaub’s kaum. Die haben’s jetzt auch nicht leicht in der Heimat, und
das Paketschicken wird wohl diesmal nichts werden.“
„Das mag wahr sein,“ nicht Hinnerk nachdenksam, „aber
schade, bitter schade is das doch. Denn ich hab gar keinen Menschen, der mir
sonst was schickt, zum Christfest. Und kämpf doch auch für die Heimat, selbst
am Weihnachtsabend.“
Lautlos fällt der Schnee. Und auf die Decke des
Unterstandes hämmert urplötzlich mit prasselnden Schlägen hart gefrorenes
Erdreich, donnerndes Steingeröll, die eine unweit platzende Granate herüber
schleudert.
Der wache Tod trommelt mit knöchernen Fingern drei
deutschen Kriegern ein hohles Christlied.
Und wieder einmal will es Weihnacht werden. Ungezählte
Köpfe und Hände denken und regen sich im Liebesdienst für unsere Feldgrauen.
Emsige Arbeitstätigkeit herrscht im Gutrufhaus, wo die Weihnachtsgaben für sie
verpackt werden. Ein gewaltiges Warenlager türmt sich dort auf, das planmäßig
aufgestapelt und ebenso abgebaut wird. Hoch in die Tausende gehen die
Gebrauchsgegenstände, in die Millionen die Zigaretten du Zigarren, die
eingekauft sind, aber noch immer genügen die schwindelnden Zahlen nicht, um
möglichst vielen unserer Helden, die aus Deutschland eine stille Insel des
Friedens machten, eine Weihnachtsgabe senden zu können.
Weihnachtliche Vorstimmung geht um in den Packräumen.
Ein geheimnisvolles Rascheln und Klappern dringt von den weitgestreckten
Tischen, mit freudigem Ernst wird ununterbrochen gearbeitet und gesorgt.
Sorgsame Frauenhände legen die Hamburger Sachen in die Pakete, voll des heißen
Dankes, dass auch sie sich durch unserer Krieger unerhörte Opfer frei und
unbefleckt regen dürfen.
Gesegnete und friedliche Weihnachten wünscht Elinor von Monsterberg
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